Bei der Angst vor dem psychischen Zusammenbruch geht es um den Versuch sich gegen die Rückkehr in ein sehr frühes Stadium des Lebens zu wehren. Die Vorstellung sich in ein Baby einzufühlen mag hierfür behilflich sein. Das Baby ist verwirrt, versteht seine Körpererregungen nicht (Anstelle von Hunger, Durst, Hautreizungen wenn die Windel nass ist, existiert nur Schmerz), kann zwischen Realität und Phantasie nicht unterscheiden und braucht seine Mutter bzw. seine wichtige Bezugsperson. Gab es Zusammenbrüche in derfrühen Mutter-Kind-Beziehung, so können beim späteren Erwachsenen sogenannte primitive Ängste entstehen:
- Angst in ein Lebensstadium zurückzufallen, das von sehr viel Verwirrung geprägt war.
- Angst seinen Körper nicht mehr zu verstehen.
- Angst vor dem Verlust des Realitätssinns: „Ich glaube ich werde wahnsinnig!“
- Angst vor dem Verlust der Fähigkeit sich an Menschen binden zu können.
Dies ist oft dann der Fall, wenn das Kind komplett mich sich alleine gelassen wurde und das Gefühl der „Nichtexistenz“ überwog. Eine anderer Auslöser dieser Ängste kann auch ein Übermaß an schmerzlichen Erfahrungen im Kindesalter sein, die zum Verlust von wichtigen Teilen des Selbst geführt haben. Hierbei ist anzumerken, dass alle Menschen im Laufe ihres Lebens emotionale Begrenzungen erfahren mussten. Diese Begrenzungen sind Aspekte des ungelebten Lebens und führen zur ständigen Suche nach verlorenen Erfahrungen und verlorenen Teilen des Selbst. Die besondere Problematik der Menschen mit der meisten Angst vor dem Zusammenbruch liegt darin, dass sie sich durch die Tatsache der Unfähigkeit den größten Teil ihres Lebens zu erfahren beklemmt fühlen. Für diese Menschen ist es sehr schmerzvoll sich lebendig zu fühlen, weil der Schmerz über die Erkenntnis, dass ein so großer Teil des Lebens ungelebt geblieben ist, unertragbar wird. Dieser Schmerz ist dann sowohl psychisch als auch physisch zu spüren. Bei der Angst vor dem Zusammenbruch geht es demnach um Erlebnisse und Gefühle, die bereits stattgefunden haben, aber nicht verarbeitet werden konnten, weil der Mensch in einer bestimmten Entwicklungsstufe noch nicht die notwendige Verarbeitungsreife besessen hatte. Die Erlebnisse und Gefühle selbst sind auch nicht mehr bewusst abrufbar, denn sie wurden zwecks Selbstschutz in das Unbewusste verbannt. Es herrscht nur noch eine Angst, die sowohl für Betroffene als auch für Außenstehende kaum nachvollziehbar ist.
Im Kampf gegen die Angst versuchen Betroffene die Lösung mit einem Detail in der Zukunft zu finden, wobei das Detail allerdings in der Vergangenheit liegt. Sie müssen sich an etwas erinnern, das aber für das bewusste Erleben noch nicht passiert ist. Was bleibt ist die Bedrohung einer gewissen Leere, die zu weiteren Ängsten führt und somit gar nicht erst entstehen darf. Versagt die verzweifelte Suche nach der ultimativen und befreienden Erfüllung, überlegen sich viele Menschen die Lösung im Tod zu finden. Übersetzt bedeutet dies den Körper dahin zu bringen, was die Psyche bereits erlebt und ins Unbewusste verschoben hat.
Um die massiven Ängste bewältigen zu können und das Leben in vollen Zügen genießen zu lernen, bedarf es der Erinnerung. Diese kann dann erfolgen, wenn das „Ungelebte“ im Hier und jetzt mithilfe der Psychotherapie gemeinsam mit dem Psychotherapeuten bewusst (wieder-) erlebt und adäquat verarbeitet wird.
Literatur
Ogden, T. (2014). ‚Fear of breakdown and the unlived life‘. International Journal of Psychoanalysis, 95, 205-23
Winnicott, D.W. (1970). Fear of Breakdown. In Int. Rev. Psycho-Anal. 1, 104-107, 1974