Ejaculatio Praecox
Der vorzeitige Samenerguss kann aus unbewussten Ängsten rund um den eigenen Penis entstehen. Einerseits fürchtet der Betroffene die Vagina, als ein unbekanntes und unsichtbares Etwas, das den Penis beschädigen könnte, andererseits bestehen auch Ängste vor der eigenen Potenz: Man(n) könnte der Frau durch das Eindringen mit dem Penis Schmerzen zufügen oder sie gar zerstören. Eine mögliche Lösung zwecks
Abwendung solcher Gefahren ist der vorzeitigen Samenerguss. Die unbewussten Ängste resultieren aus frühkindlichen Phantasien und Erklärungsmodellen eines Jungen in Hinblick auf die Geschlechtsunterschiede „warum fehlt der Schwester, der Kindergarten-/Schulfreundin, der Mutter da etwas? Ist es kaputt gemacht worden?“ und dem Geschlechtsverkehr der Eltern. Das Bild, dass jemand auf jemanden anderen liegt, dabei keucht und stöhnt und vielleicht auch noch zittert, kann durchaus verstörend sein, Gewaltphantasien auslösen, Angst machen und muss sofort verdrängt (ins Unbewusste verschoben) werden. Diese Ängste können später ohne Erinnerung oder Gefühl auftauchen und zeigen sich in einer verstellten Form (i.d.F.: Ejaculatio Praecox) wider.
Don´t touch me – Beschädigungs- und Diffusionsängste bei Frauen
Auch Frauen können unbewusste Ängste in Hinblick auf eine eventuelle Beschädigung durch ein fremdes Eindringen in ihre Genitale haben, da die Vagina eine Körperöffnung ist über welche es keine Kontrolle in Hinblick auf deren Öffnung oder Schließung gibt (ganz anders als bei Mund). Das kleine Mädchen versteht die Vagina als Loch. Diese Vorstellung basiert auf der Erfahrung, das ein Kind mit Löchern in der Außenwelt gemacht hat. Sie sind passiv und unbeweglich, man/n kann mit ihnen machen was man will (eindringen, weiter aushöhlen, beschädigen). Zusätzlich zur Angst vor der Beschädigung ist bei Frauen auch eine Diffusionsangst präsent: Werden die eigenen Genitalien berührt, gibt es eine Diffusion der Sinnesempfindungen auf andere Regionen. Jede Berührung des Mädchens stimuliert eine eine weitere Körperregion. Das Mädchen versteht diese Ausweitung (Diffusion) nicht, sondern phantasiert, dass da etwas mit ihr passiert, worüber
sie keine Macht hat. Berühren, Sehen, Kontrollieren und Benennen bilden die Ausrüstung mit der die Kinder ihren Körper psychisch verstehen lernen und den Körper von der Welt abgrenzen. Die Diffusion aber, kann dazu führen, dass ein Mädchen Angst bekommt zwischen Außenwelt und Körper nicht unterscheiden zu können. Somit dient jegliche Vermeidung von Berührungen des eigenen Körpers und auch der eigenen Lust dem Schutz vor dem Einfluss der Außenwelt und der Aufrechterhaltung der Identität und Individualität.
Psychische Impotenz und Frigidität
Die Schwierigkeit sexuell erregt zu werden kann nur bei bestimmten Sexualpartnern/innen erfolgen, wobei ein solches Problem bei anderen Menschen nie infrage kommt. Hierbei geht es um eine fehlende innerpsychische Verbindung von Zärtlichkeit und Sinnlichkeit (i.S.v. Erotik). Betroffene verbinden die Zärtlichkeit mit einer sehr kindlichen Erfahrung, die später auch immer kindlich und rein bleiben muss. Zärtlichkeit haben demzufolge nur eine Mutter bzw. nahe Bezugspersonen zu geben – sie unterliegt also einer gewissen Fixierung an ganz bestimmte Personen. Wenn im Erwachsenenalter einem/r potentiellen Partner/in gegenüber eine psychische Wertschätzung erfolgt, dann kommt es zur Zärtlichkeit und die Sinnlichkeit muss in solchen Fällen ausgeblendet werden. So bleibt das Liebesleben solcher Menschen gespalten: „Wo sie lieben, begehren sie nicht, und wo sie begehren, können sie nicht lieben (S. Freud).“ Die psychische Impotenz tritt aber auch dann auf, wenn ein oft unscheinbarer Zug des (fremden) Anderen, an das vermeidende Objekt (nahe Bezugsperson) erinnert. Dann geht nichts mehr und die Betroffenen beginnen an sich zu zweifeln: „Das passiert mir sonst nie! Ich weiß nicht warum, aber ich kann nicht!“
Abstinenz, Masochismus und Erniedrigung aus Angst vor dem weiblichen Orgasmus
Die orgastische Hingabe bringt bei der Frau eine totale Lust ins Spiel, die den gesamten Körper erfasst, denn der gesamte weibliche Körper ist fähig zu einer erogenen Zone zu werden. Der weibliche Orgasmus kann oral, anal, visuell, taktil, auditiv und genital erlebt
werden. Gibt sich die Frau dem Genuss hin, so kennt sie weder sich selbst noch hinterfragt sie sich. Es verläuft hierbei alles ohne Forderungen, ohne Erwartungen, ohne einen exakt zu lokalisierenden Ort, ohne Maß und ohne nachweisbares sexuelles Produkt. Dementsprechend können auch massive Ängste vor Kontrollverlust und Wahnsinn auftauchen. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Folgen fürchten sich sowohl Mann als auch Frau vor dem maßlosen weiblichen Genuss. Die Frau wird versuchen ihre erogenen Zonen zu kontrollieren und zu schützen, indem sie beispielsweise das erotische Leben komplett ablehnt oder sich einen Partner aussucht, der zu ihrer Abwehr passt. So kann der Masochismus eine solche Abwehr sein, der ihre Lust fügsam machen soll und die Angst vor dem überwältigendem Erleben bändigt. Der Mann kann sich beispielsweise durch reale oder spielerische Erniedrigung der Frau helfen.
Spezielle Problematik bei der Entwicklung vom Mädchen zur Frau
Mit Beginn der Menstruation wird das Mädchen gezwungen ihren reifenden sexuellen Körper zu integrieren. Sie muss den Verlust ihrer Kindheit betrauern, sich einen Übergang zwischen Kindheit und Adoleszenz finden und erotischen Ersatz schaffen. Misslingt ihr dieser Prozess, so kann es zur Symptombildung (Magersucht, Suizidgedanken, sexuelle Schwierigkeiten) kommen, die im Erwachsenen bestehen bleiben können.
Literatur
Abraham K., 1917, Ejaculatio Praecox, in psychoanalytische Studien. Gesammelte Werke in zwei Bänden. Psychosozial-Verlag, Gießen 1999
Alizade A. M., 2008, Weibliche Sinnlichkeit
Bernstein D., 1990, Weibliche genitale Ängste und Konflikte und die typischen Formen ihrer Bewältigung
Freud S., 1912, Über die allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens
Poluda E. S., 1999, Die psychosexuelle Entwicklung der Geschlechter im Vergleich